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  • AutorenbildFilialleitung@Ideensupermarkt

Life as a Cringelancer.


Triggerwarnung: Dieser Artikel enthält 365 mal das Wort "ich". Menschen, die auf dieses Thema sensibel reagieren, sollten diesen Artikel lieber in Gegenwart von vertrauten Menschen lesen.



Heute war ich nach 2 Jahren "Roney", und mit daraus resultierendem Cave-Syndrom, dessen Anlagen schon vor der Pandemie manifest waren, zum ersten Mal wieder in einer Werbeagentur. Vor Ort!


Für andere mag es alltäglich klingen. Für mich fühlte es sich an, wie ein fremder Passagier auf der Titanic zu sein. Nur dass die Werbeagentur am Ende nicht gesunken ist. Zum Glück.


Kann man als Texter:in oder Ideenfinder:in oder wie man es bezeichnen mag, in einer neuen und komplett fremden Situation den Zenit der eigenen Leistungsfähigkeit erreichen? Umringt von Monitoren und von Menschen, die man nicht kennt, und die einen weder kennenlernen wollen, noch können? In einer observierten Isolationszelle, ohne jegliche Art von Vertrautheit oder Geborgenheit? Und das an nur einem einzigen Tag?


Ich sage: "Jein". Alles ist möglich. Aber es ist ein Risiko, das remote nicht existiert. Jedenfalls nicht bei mir. In meinem gewohnten Modus weiß ich, dass ich abliefere. Und ich weiß auch, dass ich noch besser abliefere, wenn die Chemie stimmt. Dass an einem einzigen Tag in einer fremden Situation das Unmögliche wahr wird, ist ein bisschen unwahrscheinlich. Es kann aber ein Anfang sein.

Ich bin nun mal da. Auch, wenn ich das gewohnte Agenturleben ein kleines Bisschen störe. Ich sitze da. Auf einem Platz, der eigentlich jemande anderem gehört. Ich fühle mich trotzdem nicht beobachtet, da alle lieber Monitore bzw. Devices beobachten. Das ist heute überall so. Und in einer Agentur auch zweckgemäß.


Eine freundliche Person zeigt mir, wo die Kaffeeemaschine ist, welche (Hafer-) Milchsorten zur Verfügung stehen, wo die Toiletten sind, und wie und wo man an gesüßte Softdrinks kommt, die an diesem Tag ausser mir keiner zu sich nehmen wird. Dieser Person bin ich dankbar. Für ihre Freundlichkeit, und dafür, mir Zugang zu süßen Softdrinks zu geben, nach denen ich manchmal süchtig bin. Sie sind der einfachste Weg, sich Energie zum Denken zufzuführen. Ohne anstrengende Kau- und Verdauungsprozesse.


Ich sitze da. Ich denke nach. Es gibt ein wenig Austausch. Warum soll ich hier sein? Hatte man sich meine Person und mein Erscheinungsbild anders vorgestellt? Ich zweifle. Sind es nicht meine Gedanken und die daraus entstehenden Texte, die mich zu diesem Beruf gemacht haben? Warum spielt der Ort der Gedankenproduktion immer noch eine Rolle? Ist es dieses Lehensherrending, dass man seine Vasallen um sich scharen und den anderen Lehensherren hervorzeigen möchte? Ist es das humanistische Experiment, Menschen mit Menschen gemeinsam etwas Gutes entstehen zu lassen? Den wahren Grund werde es nie erfahren. Aber ich war dort. Vor Ort. In einer leibhaftigen Agentur. Und in einer, wie ich finde, ganz schön guten. Einer talentierten Ideenfabrik.


Remote könnte ich garantiert das liefern, was die Agentur will. In schnell und witzig und inspiriert. Und mit freiwilligen Überstunden auf meinem Sofa.

Remote hätte ich dagegen nicht die Einzigartigkeit des Eindrucks, den andere Gedanken auf mich machen. Fremdes Gedankengut, das meine Wahrnehmung und Ideenfindung beeinflusst. Dazu braucht es Menschen, die diese Gedanken produzieren können. Und die waren vor Ort. Und das ist selten. Zwischendurch fragte ich mich sogar, ob man Schauspieler:innen engagiert hatte, um die Konfrontation meiner eigenen Seltsamkeit mit dem echten, doch viel besseren Leben, als ich es mir so vorstellte, experimentell auszusetzen.


Wenn es zu dieser Art von Situation kommt, finde ich Miteinander richtig toll. Dann kann man Gedanken mit Menschen, die man schlau findet, teilen. Sich von ihnen inspirieren und lenken lassen. Auch wenn es für einen Moment lang sehr anstrengend ist.


Roger Willemsen, den ich schon vor seinem Tod sehr bewunderte, hat mal nachdrücklich formuliert: "Kultur ist anstrengend." Und da steckt nicht nur sehr viel Wahrheit drin, das ist die Wahrheit. Nur sollte man sich danach, nach der Anstrengung des Augenblicks, zum Denken und Schreiben zurückziehen können.


Die Atmosphäre war industrial-stylish. Ungefähr so wie ich mir früher Wohnungen vorstellte, die man prima zur Schau stellen kann. In denen man die Tür öffnen, Gäste empfangen, und sich bewundern bzw. vielmehr beneiden lassen kann. Heute weiß ich, dass ich das nicht mehr brauche. Gräme mich aber sehr, nicht wenigstens gelegentlich die großen Flügeltüren meiner viel zu großen Altbauwohnung öffnen zu können. "Hey, fühlt euch hier wie zuhause." "Ach die, die ist ganz lieb. Kommt ausm Tierschutz in Zypern." Wuff.


DAS FAZIT: Ich habe habe den Weg in die industrial-stylishen Räumlichkeiten der Agentur erstaunlich schnell gefunden. Google Maps war keine Hilfe. Aber mein Rest von Verstand eine große. Ich habe schlaue Menschen mit wachsamen Augen kennen gelernt, die eine sehr schnelle Auffassungsgabe haben. Ich war einer zunächst befremdlich wirkenden, sich schnell aber auch als menschlich entwickelnden Aufgabenstellung gegenüber gestellt. Ich bin Personen begegnet, die diese Situation nicht souveräner hätten meistern können.


Am Ende des Tages war es ein seltsamer, aber guter Tag.

Danke, Agentur ohne Namen. Und Danke, kleine Hündin, die diese Agentur hoffentlich noch lange begleiten wird. Hunde mopsen allen Situationen ein kleines Bisschen Cringeness.










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